tasso

Tasso

Erste Wahrnehmung von Graffiti, als Mitte der 80er Wild Style (oder war`s Style Wars?) als ZDF-Reportage lief. Ich sah irgendwelche Jugendliche, die mit Farbe Häuser und Züge bemalten und wusste DAS IST MEIN DING! Ich hatte damals keine Ahnung, warum die das machten, das es verboten war, das sie ihre Pseudonamen schrieben, nicht mal, das es ausschließlich mit Spraydosen war, ich war nur fasziniert und hatte urplötzlich den Drang meine Monster und Schriftzüge (damals die Namen der angesagten Bands) an irgendwelche Wände zu schmieren.

Durch Eisy Gulps (?) Breakdance-Kurs auf ZDF und den Videos der Rock Steady Crew, Blondie oder das von Herbie Hancocks Rock it wurde man immer mehr auf Breakdance und Graffiti aufmerksam. So langsam hatte ich eine Vorstellung davon, wie das auszusehen hatte. Ich checkte damals immer noch nicht, das es um die Verbreitung des eigenen Namens ging, also sketchte ich in erster Linie Punkerköpfe mit Sprüchen wie ICECOOL oder THE BEAT GOES CRAZY. Beim tanzen merkte ich schnell, das ich im Verhältnis zu meinen Kumpels viel zu unsportlich war, also konzentrierte ich mich darauf irgendwann mal was zu sprühen. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch noch Spraydosen im Osten. 8 Farben zu 7,10,- Ostmark (davon hab`ich auch noch eine). Das bei einem durchschnittlichen Monatsgehalt von 700 Mark. Aber ab und zu leistete ich mir mal eine vom Taschengeld, denn Klauen war nicht drin, weil sie hinter der Ladentheke standen. Dann sprühte ich meist, wenn wir mit unserer Clique, welche ein Mix aus Punks, Breakern, New Romantics und Poppern war (eigentlich war jeder von uns ein Mischmasch aus allem) durch die Gegend zogen, Brücken, Unterführungen, Schaufenster und wasweißichwas voll. Bei letzterem wurden wir erwischt, ohne Folgen, weil Minderjährig. In der Regel waren das aber Sprüchegraffiti a la Anarchie ist machbar, Herr Nachbar! das A im Kreis für Anarchie oder Hip Hop do`nt stop. Also alles eher planlos. Doch dann kam BEAT STREET in die Ostkinos und ich schnallte so ungefähr worum es ging. Es war wie eine GebrauchsanWEISUNG für mich. Als ich dann richtig los legen wollte und mir mit angespartem Geld endlich mal mehrere Dosen kaufen, sagte der Händler “Farbspraydosen gibt es nicht mehr!”
ich: wie nicht mehr?
er: na die gibt es eben nicht mehr!
ich: und wann kommen die wieder?
er genervt: nie mehr, die Produktion wurde eingestellt, weil damit politische Parolen (schnell und lautlos) an die Wände geschrieben wurden. (Eine Information, die er bestimmt nicht preis geben durfte)
…und damit begrub sich mein Traum von einer Laufbahn als Graffitsprayer für immer.
Für immer?
Nein, denn in dem kleinen, geteilten Land fing es einige Jahre später an zu brodeln. Und so fingen die Menschen an leisen Widerstand zu leisten, indem man Kerzen in die Fenster stellte um zu zeigen, dass man mit den Machthabern nicht einverstanden war. Man traf sich in Kirchen und etwas später sammelten sich die Menschen, welche nicht weglaufen wollten in den Städten um ihren Ärger nun auch lautstark kund zu tun. Und nach einer kurzen Wende waren auch in diesem kleinen Lande alle so glücklich und frei, wie ihre Brüder und Schwestern etwas westlich von ihnen. Und es gab Spraydosen. Spraydosen in allen möglichen Farben.

Graffitikarriere Teil 2.
Von meinem Begrüßungsgeld, welches ich mir in Berlin holte, kaufte ich mir neben einem Batman-Shirt, einer Yuccapalme und einem Fantasie-Video einen Edding. Denn von den großen, bunten Graffitis, von denen ich immer noch träumte, bekam ich in Berlin nichts zu sehen. Mein Kumpel, der vor Jahren nach Westberlin ausgereist war hatte keinen Plan, wo man in der Stadt so was sehen konnte. Aber mir fielen die ganzen Kraxelschriften überall, wo man hin sah, auf. Es war offensichtlich nicht mit Spraydose, aber es sah aus wie Graffiti. TAGS!

Als ich wieder zurückkam, in meine sächsische Kleinstadt, wo gerade erst mal die ersten Händler anfingen ihre Zelte auf zu schlagen, startete ich zum Marker-Großangriff. Inzwischen wusste ich, dass das Namensschriftzüge waren und so gab ich mir den Name GESHWAY. Dazu hätte ich auch eine Erklärung, aber die verstehen eh bloß Sachsen, weil`s aus dem Dialekt kommt.
Gleichzeitig fing ich wieder an (BART und ich hatten zu Zonenzeiten dasselbe schon mal mit den Köpfen der Sänger von KISS und AC/DC gemacht) kleine Bilder mittels Schablonen zu sprühen. Das tat ich eigentlich mehr oder weniger aus finanziellen Gründen, denn noch gab es keine Westkohle und für eine Dose musste man immer noch bis zum 5-fachen des Preises in West hinlegen. Irgendwann wurde ich dann mit einem 60×80 cm großem Schablonengraffiti (es war Freddy Krueger) erwischt. Das ganze brachte mir eine Strafe in Höhe von 2800 Mark. Inzwischen West! So kurz nach der Wende, endlich die D-Mark und dann gleich so viel dem Staat abtreten. Nee, nicht mit mir. Entweder das hole ich mir zurück, oder ihr werdet mich jetzt erst mal richtig erleben. Und so begann es.

Da ich ja bei meinem Einstieg in die Graffitiszene schon 25 Jahre alt war, ein Alter, wo die meisten schon lange wieder aufgehört haben, wusste ich, wenn ich es noch zu Fame bringen wollte, dann musste ich mir dafür doppelt und dreifach den Arsch aufreißen.

Von Anfang an wollte ich nicht nur mich, sondern auch den Osten bekannter machen. So gründete ich 1998 zusammen mit ANIZ aus Dessau die DSA-Crew um überregional qualitativ gute Sprayer zu bündeln, um mit ihnen größere Wandkonzepte im Stil der Vorbilder aus dem Westen zu gestalten.

Die mangelnden Aktivitäten der meisten member und die Steigerung meiner Ansprüche waren nur zwei Gründe, warum diese Konstellation für mich zur Bremse wurde. Inzwischen kannte man sich schon kaum noch untereinander, weil ständig neue Mitglieder dazu kamen und letztendlich kam es zu einem Vorfall, der mir zeigte, dass das ganze für mich keinen Sinn mehr hatte. Ich stieg aus, die Crew fiel auseinander und Ma`Claim, welche ich schon vorher mit AKUT und CASE ersponnen hatte, nahm langsam Gestalt an.

Fortsetzung folgt…

Tasso begründete das urban-Art-Event IBug. Mehr auf seiner Website und bei Facebook.

Bild: Tasso

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